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Balgach im 1. Weltkrieg

1914 - 1918
Der 1. Weltkrieg kommt für das Rheintal überraschend. Am 31. Juli 1914 verbreitet ein Tramführer in Balgach die Nachricht, in Marbach werde bereits der "Generalmarsch geschlagen". Innert weniger Tage ist das gesamte Rheintal wehrbereit. Der Grossteil der wehrfähigen Männer wird eingezogen und bereitet sich auf den Transport an die Landesgrenzen vor. In Balgach und andernorts bricht Panik aus. Trotz der beruhigenden Hinweise, wonach es in der Schweiz genügend Lebensmittel gebe und das Geld in den Banken sicher aufgehoben sei, kommt es zu Hamsterkäufen. Die Regale in den Läden sind schnell geleert, und in den Banken wollen alle Leute ihr Erspartes abheben, was zu Liquiditätsengpässen führt. Nur langsam gewinnt die Vernunft wieder Oberhand.

Die Folgen der Mobilmachung sind für Balgach schwer zu tragen. Die eingezogenen Männer fehlen an allen Ecken und Enden, auf den Feldern, in den Ställen, den Werkstätten, den Stickmanufakturen und den Fabriken. Auch die Behördensessel sind verwaist. Der Lehrer ist nicht mehr da, ja selbst der evangelische Pfarrer muss einrücken. Wochen vergehen, bis die Daheimgebliebenen die Lücken zu schliessen vermögen und das dörfliche Leben sich wieder normalisiert. Wo nötig, wird Nothilfe geboten. In allen Rheintaler Gemeinden werden die Sicherheitskontrollen verstärkt und Bürgerwehren mit Burschen und rüstigen Senioren gebildet. Auch die Feuerwehren werden notdürftig mit Ersatzpersonal bestückt. Überall sind die Menschen bemüht, das Dorfleben aufrechtzuerhalten.

Prekäre Versorgungslage
Dennoch sind sich alle bewusst, dass Krieg herrscht. Weil die Schweiz weiterhin auf Importe aus dem Ausland angewiesen ist, wird die Bevölkerung angehalten, bei Kontakten mit Ausländern strikt neutral zu bleiben. Das gilt insbesondere für das Rheintal, das unmittelbar neben zwei Krieg führenden Nationen liegt. Mit dem ab 1915 verschärften Handelskrieg zwischen den Kriegsparteien wird auch in der Schweiz die Versorgungslage prekärer. Der Bundesrat versucht mit Massnahmen, den landwirtschaftlichen Anbau zu verstärken und so den niederen Selbstversorgungsgrad von 45 bis 50 Prozent zu erhöhen. Dennoch müssen die Lebensmittel ab 1917 rationiert werden. Das gilt nicht nur für den Konsum, sondern auch für die Produktion. Balgach wird häufig gerügt, weil es nicht die geforderte Menge Feldfrüchte wie etwa Kartoffeln abliefert. Das Dorf rechtfertigt sich, es besitze nicht genügend Anbaufläche und Saatgut, um der Forderung nachzukommen.

Während des 1. Weltkriegs lebt ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung unter dem Existenzminimum, umso mehr, als noch kein Erwerbsersatz ausbezahlt wird. Dennoch geht es der Schweiz im Vergleich zu ihren Nachbarländern so gut, dass sie nach dem Krieg Kinder aus Deutschland und Österreich aufnehmen und in Familien unterbringen kann, wo sie wieder aufgepäppelt werden. Auch im Rheintal organisiert das Rote Kreuz solche Hilfsaktionen. Selbst mit Lebensmitteln kann die Schweiz die darbenden Nachbarländer unterstützen und invalide Soldaten zur Kur ins Land holen.


Bild: Schweizer Soldaten beziehen im 1. Weltkrieg Stellung an der Grenze des Rheintals.
1. Weltkrieg im Rheintal